VEDRAN - Eine Osijeker Chronik

[Die Brücken über die Drava]

Das Wappen der Stadt Osijek zeigt eine Steinbrücke über einen Fluss mit drei geschwungenen Bögen, auf dem mittleren Bogen ist ein Wehrturm errichtet, darüber zeigt ein Schild eine Hand, die drohend einen türkischen Säbel schwingt. Diese Brücke findet sich als Symbol ohne Säbel auch im Wappen des Osjiek-Baranjer Gebietes wieder. Im gesamten Osijek-Baranjer Gebiet findet sich eine solche Brücke allerdings nirgends. Die Türken bauten während ihrer Herrschaftszeit in Osijek lediglich eine gewundene Holzbrücke über den Fluss, die für die türkischen Baumeister typischen geschwungenen Brücken, wie sie das Osijeker Wappen zeigt, finden sich hingegen in den Gebieten südlich der Drava, in denen sich die Türken deutlich länger ansiedeln konnten, insbesondere in Bosnien-Herzegowina. Die die Türken aus Osijek vertreibenden Habsburger befestigten die Stadt neu, beließen aber die Brücke wie sie war bzw bauten die von z.T. schweren Überschwemmungen zerstörte Holzbrücke immer wieder neu. Planungen des Baumeisters Tomo Hudovszky für eine steinerne Brücke incl. Uferbegradigungen gegen die Überschwemmungen Anfang des 19. Jh wurden aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt. Die Spuren der türkischen Herrschaft in der Stadt Osijek sind bis auf eine künstlich erhaltene Mauerruine vollständig verschwunden, über die türkische Zeit existieren selbst im Heimatmuseum kaum mehr Zeugnisse. Auch die zum 800jährigen Jubiläum Osijeks (mit der alten römischen Stadt Mursa an gleicher Stelle gibt es keine direkte Verbindung) 1996 erschienene Stadtgeschichte Od turskog do suvremenog Osijeka setzt mit der Stadtchronik erst 1687 ein, nach dem Ende der türkischen Herrschaft. Bekannt ist lediglich, dass die türkische Zeit keine sehr gute Zeit gewesen sein soll. Ein Witz aus jugoslawischer Zeit geht etwa so: Warum es der modernen Türkei so schlecht gehe? Weil die Türken 300 Jahre in Bosnien waren. Die alte, türkisch tradierte Wirtschaft, die die Eroberer aus dem Osmanischen Reich auf den Balkan mitbrachten und dort laut Witz vernachlässigten, gilt heute, da nicht profitorientiert, als rückständig und unmodern, unabhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten, die die Osmanen um 1500 im Gebiet zwischen Drina, Neretva und Drava vorfanden. Dennoch befindet sich im Zentrum des Osijeker Selbstverständnisses eine türkische Brücke, ein Sinnbild für Standfestigkeit und Dauer, oft abgebildet mit schützenden Engeln und Königskrone – eine Brücke, die nie errichtet wurde.

Stadtwappen auf dem Grabstein des Osijeker Bürgermeisters Vladimir Malin (1882-1935)
- Sehen Sie hier unser heimliches Wahrzeichen der Stadt, die 1976 fertiggestellte Fußgängerbrücke, der Golden-Gate-Bridge in San Francisco nachempfunden. Im Krieg nahm sie keinerlei Schaden, nachts ist sie wunderschön erleuchtet. Es gibt sogar ein Café San Francisco in der Nähe der Brücke.
- Gibt es in San Francisco auch ein Café Osijek?
- Durchaus vorstellbar, ich war noch nie dort. Vielleicht sollten wir uns um eine Städtepartnerschaft bemühen, immerhin leben viele Kroaten auch in den USA.
- Die Brücke scheint enorm populär zu sein, sie gilt mittlerweile als meistfotografiertes Motiv der Stadt noch vor der Kathedrale.
- Ich sags mal so: Während der Frühlings- und Sommermonate kann man immer wieder Jugendliche erleben, die von ihrem höchsten Punkt über der Drava in den Fluss springen. Eine größere Mutprobe wäre es, würden die Jugendlichen von der höheren Autobrücke oder gar der Eisenbahnbrücke springen.
- Insbesondere letztere Brücke ist alles andere als ungefährlich.
- Nicht die Brücke sondern der Fluss ist das Abenteuer für die jungen Leute. Sein Wasser ist trübe, weil er viel Erde mit sich führt. Und oftmals auch Baumstämme, die im Wasser unsichtbar bleiben. Allein im Frühjahr 2007 haben sich 3 Jugendliche z.t. tödlich verletzt bei solchen Sprüngen.
- Würde ein Verbot des Springens helfen?
- In Osijek ist man der Ansicht, dass sich lebensbedrohliches Verhalten herumspricht und auch Jugendliche klug genug sind, sich derartigen Gefahren nicht auszusetzen.
- Man unternimmt nichts?
- Würde ein Sprungverbot die Wasserqualität der Drava heben?
- Es könnte dazu beitragen, dass Jugendliche ihr Leben behalten.
- Im Gegensatz zu Alkohol am Steuer ist das Dravaspringen kein Massenphänomen.
- Man könnte die verfallende öffentliche Badeanstalt am Flussufer umbauen und wiedereröffnen.
- Dazu fehlen jedoch das Geld und die Genehmigung. Die Anstalt ist seit Jahren nicht mehr in öffentlicher Hand. Und ein Schwimmbecken mit Rutsche würde wohl schwerlich die Faszination mindern, die von attraktiven Brücken und das Springen in ein fließendes Gewässer ausgeht.
- Nicht jeder springt von Brücken, wenn er auch per Leiter oder Sandstrand ins Wasser gelangen kann.
- Wetten wir?
- Um einen Sprung in die Drava?
- Nein.




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© sascha preiß 2008