VEDRAN - Eine Osijeker Chronik


[Die Frau des Tätowierers]

Während ihr Mann im Nebenzimmer den Körper eines jungen Mannes bearbeitet, sitzt sie vor einer großen Tasse Pulverkaffee, blättert in einem Magazin, raucht. Vor einem Monat verlor sie ihren Platz in einer Firma, deren Namen sie lieber verschweigen möchte. Die Firmenleitung hatte ihr nichts vorzuwerfen. Sie kam pünktlich, regelmäßig, unterschlug keine Gelder, ging freundlich mit Kunden um, alles gemäß Schulung und Einstellungsvertrag. Anderthalb Jahre arbeitete sie, bis sie schwanger wurde. Sie heiratete den Mann kurz darauf. Sie kennen sich seit ihrer Schulzeit, verbringen die Sommer gemeinsam am Meer, sie arbeitet in istrischen Cafés, er in Clubs. Im Oktober wird sie 22, er ist 23. Entlassen wurde sie nicht wegen ihrer Schwangerschaft, das ist kein Kündigungsgrund. Sie streichelt ihren runden Bauch, sie ist im 7. Monat, ein Junge wird es werden, Marin soll er heißen.

Im Nebenzimmer das Surren der Tätowiernadel. Kurz bevor sie schwanger wurde, eröffnete er das Studio, direkt am zentralen Platz, dem Trg Ante Starčevića. Wenige Monate später eröffnete knapp 150m entfernt ein Konkurrent seinen Shop. Beide Läden laufen gut, die meist schwarzen, abstrakten kleinen Kunstwerke sind auch in Osijek beliebt, viele Schüler und Studenten haben an irgendeiner Stelle eine Tätowierung oder ein Piercing. Es erfordert Geschick und Ausdauer, ein Bild zu stechen, außerdem eine saubere und gute Ausrüstung. Der Arbeitsraum gleicht einer Zahnarztpraxis, ein Behandlungsstuhl, Besteck in verschiedener Größe, Desinfektionsmittel. Während im westlichen Europa die Preise für Tattoos bei 30 Euro beginnen, kann man sich hier ein Bild bereits für 5 Euro stechen lassen. An den Wänden des Ladens hängt eine Galerie der Bilder, die der Tätowierer bislang auf seine Kunden auftrug, alle Größen, alle Formen, alle Körperteile. Der erotische Beigeschmack, das schmutzige Image des populären Hautschmucks ruft gelegentlich auch Abneigung hervor. Die Frau des Tätowierers verlor ihren Arbeitsplatz, weil sie eines Tages mit T-Shirt zur Arbeit kam und das Tattoo am Arm sichtbar wurde. Ein Freund von ihr hatte des gleiche Pech. Während ihr Mann aus dem Nebenzimmer tritt, drückt sie ihre Zigarette aus. Der Arzt habe ihr erlaubt, am Tag 5 Zigaretten zu rauchen, sagt sie und lächelt.




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© sascha preiß 2008